Osho spricht über die Vipassana

Du musst erstmal tanzen – damit du deine Rüstung verlierst.
Du musst erstmal vor lauter Freude schreien und singen, damit du lebendiger wirst.
Du musst dich erstmal austoben, so dass alles, was du unterdrückt hast, hinausgeschleudert wird und dein Körper entgiftet wird und deine Seele von allen verborgenen Wunden geheilt wird.
Wenn das geschehen ist, und du endlich lachen und lieben kannst, dann Vipassana.


Sitze ganz still, beobachte deinen Atem. Am leichtesten kannst du ihn beobachten, wenn du die Atemluft an den Nasenflügeln fühlst. Wenn der Atem einströmt, fühle die Berührung des Atems am Eingang der Nase – beobachte ihn hier. Die Berührung am Nasenflügel ist leichter zu beobachten, der Atem selbst ist zu fein: beobachte zu Beginn nur die Berührung an den Nasenflügeln. Der Atem strömt ein, und du fühlst, wie er einströmt: Sei ganz aufmerksam. Und dann folge dem Atem, gehe mit ihm. Du wirst feststellen, dass eine Stelle kommt, wo er anhält. Irgendwo ganz in der Nähe des Nabels bleibt er stehen – einen winzig kleinen Moment lang, für die Dauer eines pal, hält er an. Dann geht er wieder zurück nach aussen; folge ihm – fühle wieder die Berührung, fühle wie der Atem durch die Nase hinausströmt. Folge ihm, gehe mit ihm nach aussen – und du erlebst wieder einen winzigen Moment, wo der Atem erneut anhält. Dann beginnt der Kreislauf wieder von vorne.

Einatmen, Lücke, Ausatmen, Lücke, Einatmen, Lücke.
Diese Lücke ist das Erstaunlichste, was es in dir gibt. Der Atem strömt herein, hält an, und jede Bewegung hört auf – das ist der Augenblick, in dem du Gott begegnen kannst. Das gleiche, wenn der Atem ausströmt und anhält.
Merke, du sollst den Atem nicht anhalten; er bleibt von selber stehen. Wenn du ihn anhältst, dann versäumst du die Erfahrung, dann kommt der Agierende dazwischen, und du kannst nicht der Beobachter, der Zeuge sein. Du darfst überhaupt nichts dazu tun. Du sollst die Atmung nicht manipulieren, du sollst weder einatmen, noch ausatmen.

Es ist nicht wie beim pranayam des Yoga, wo du den Atem beeinflusst; das ist nicht Vipassana. Du greifst nicht im mindesten in die Atmung ein – du lässt den Atem natürlich gehen, erlaubst ihm, ganz natürlich zu fliessen. Wenn der Atem ausströmt, folgst du ihm; wenn er einströmt, folgst du ihm.

Und bald wirst du bemerken, dass es zwei Lücken gibt. In diesen beiden Lücken ist die Tür. Und in diesen beiden Lücken wirst du verstehen, wirst du sehen, dass der Atem selbst nicht das Leben ist – es ist vielleicht die Nahrung für das Leben, wie andere Nahrung für den Körper auch, aber nicht das Leben selbst. Denn wenn der Atem anhält, bist du da, voll und ganz da – du bist ganz bewusst, völlig bewusst. Und der Atem steht still – und doch bist du da.

Und wenn du erst einmal dabei bleiben kannst, den Atem zu beobachten – was Buddha Vipassana oder Anapanasati Yog nennt – wenn du immer weiter und weiter beobachtest, wirst du nach und nach sehen, dass die Lücke wächst und grösser wird. Schliesslich kommt es soweit, dass die Lücke über Minuten hinweg dableibt. Ein Atemzug strömt ein, und da ist die Lücke... und minutenlang strömt der Atem nicht aus. Alles steht. Die Welt ist stehen geblieben, das Denken ist stehen geblieben. Denn wenn der Atem still steht, ist Denken nicht möglich. Und wenn der Atem über mehrere Minuten hin still steht, dann ist Denken absolut unmöglich – denn für den Denkvorgang ist eine ständige Zufuhr von Sauerstoff notwendig; und Denkvorgang und Atmung sind zwei sehr tief miteinander verbundene Prozesse.

Wenn du wütend bist, geht dein Atem in einem völlig anderen Rhythmus; wenn du sexuell erregt bist, atmest du wieder ganz anders; wenn du still bist – wieder ein anderer Rhythmus. Wenn du glücklich bist, wenn du traurig bist, der Atem folgt jedes Mal einem anderen Rhythmus. Der Atem passt sich deinen Stimmungen an. Ebenso umgekehrt: wenn sich der Atemrhythmus verändert, ändert sich deine Laune. Und wenn der Atem stehen bleibt, bleibt auch der Verstand stehen.

In diesem Stillstand des Geistes, des Denkens, hält die ganze Welt an – denn der Verstand ist die Welt. Und in dieser Lücke lernst du zum ersten Mal, was der Atem im Atem ist; das Leben im Leben. Diese Erfahrung ist befreiend. Diese Erfahrung macht dir Gott bewusst – und Gott ist nicht eine Person, es ist die Erfahrung des Lebens selbst.


 
 

21-Jan-2014
© by Devarpana